Praxisbeispiel für Performance von 4 bis 8% p.a. | FiP.S

Wie sieht eine durchschnittliche Performance von 4 bis 8 % eigentlich aus? Oder: Warum eine Durchschnittsperformance trügerisch sein kann.

Performance Chart

 Der längste Eisenbahn-Tunnel der Welt… 

Der Gotthard-Basistunnel in der Schweiz ist mit seinen 57 Kilometern der längste Eisenbahntunnel der Welt. Über 2.600 Arbeiter waren an der Errichtung beteiligt. Der Bau begann im Jahr 1999 und insgesamt wurden mehr als 28 Millionen Tonnen Gestein aus dem Inneren der Alpen entfernt. 17 Jahre später, im Juni 2016, wurde der Tunnel offiziell eröffnet. Die finalen Kosten betrugen über 12 Milliarden Euro. Die Reisezeiten zwischen Nord- und Südeuropa verkürzten sich durch den Tunnel erheblich. 

Doch was man heute als glanzvollen Erfolg wahrnimmt, war ein Weg voller Herausforderungen. Es kam während des Baus zu mehreren schweren Unfällen, darunter der Tod von neun Arbeitern. Aufgrund geologischer Schwierigkeiten kam es zusätzlich immer wieder zu Verzögerungen im Zeitplan. Der Gotthard-Basistunnel ist heute ein Symbol des Fortschritts und der Vernetzung Europas, doch der lange und riskante Weg dorthin wird oft vergessen. Ein Blick auf das Endergebnis kann trügerisch sein, wenn man den beschwerlichen Weg dorthin nicht kennt. 

Genauso verhält es sich auch bei der Betrachtung von Performancezahlen über lange Zeiträume. 

Eine durchschnittliche Rendite von beispielsweise 7 % mag großartig erscheinen, doch dahinter verbergen sich Höhen und Tiefen, die auf den ersten Blick oft nicht ersichtlich sind. Genau das wollen wir heute ändern. Wir sehen uns an, was eine Performance von durchschnittlich 4 bis 8 % pro Jahr tatsächlich bedeutet und mit welchen Schwankungen man hier leben muss, um am Ende das erwünschte Ergebnis einzufahren. 

Starten wir mit… 

Warum macht es Sinn die Echtdaten und den Weg dorthin zu betrachten? 

Sixpack, Gewichte, gesunde Ernährung

Werfen wir einen Blick in die Welt des Fitnesstrainings. Viele Männer wünschen sich ein Sixpack. Frauen einen flachen, athletischen Bauch oder ein durchtrainiertes und straffes Gesäß. Egal was die persönliche Wunschvorstellung ist – der Weg dorthin ist oftmals lang und beschwerlich. Strikte Ernährung, konsequentes Training, Disziplin, Geduld und die Fähigkeit mit Rückschlägen umzugehen. All das ist notwendig, um am Ende sein Ziel zu erreichen. Der Prozess dauert meist auch nicht 3 Wochen, sondern Monate oder Jahre. 

Bei der strategischen Geldanlage ist es ähnlich 

Der Weg ist nicht linear und ohne Rückschläge. Investieren kann langweilig und mühsam sein. Du musst auch über deine Risikotragfähigkeit  nachdenken, um sinnvoll zu investieren. In unserer heutigen Finanzwelt bist du praktisch gezwungen über Investments nachzudenken. Um nicht nach halbem Wege umzukehren, sollte man aber auch einmal gesehen haben, wie sich eine gute Durchschnittsrendite Jahr für Jahr anfühlt. 

Praktisches Beispiel #1: Anfang 1974 bis Ende 1983 

Aktienkurs mit Sell & Buy Sprechblasen

Wir betrachten für unsere Beispiele jeweils den MSCI World und nehmen an, dass wir einmalig gekauft haben bzw. monatlich sparen. Ich werde beide Beispiele anführen. Bei der monatlichen Berechnung werden wir uns zur Vereinfachung großteils nur die Rendite pro Jahr ansehen bzw. die jeweilige Durchschnittsperformance pro Jahr. 

ACHTUNG: Die Werte könnten je nach Kaufzeitpunkt und Berechnungsmethode etwas abweichen. Bei den Prozentwerten kann es also im Kommastellenbereich anders aussehen und bei den €-Werten kann es sich um ein paar hundert Euro reißen. Das ist für den Zweck dieses Artikels aber egal, denn du sollst ja einfach mal ein Gefühl dafür bekommen, wie eine durchschnittliche Performance tatsächlich Jahr für Jahr aussieht. 

Einmalige Anlage Anfang 1974 bis Ende 1983 

Zu Beginn des Jahres 1974 legen wir 10.000 € an. Ende 1983 nehmen wir das Geld raus. 

Wir hätten hier eine durchschnittliche Rendite von ca. 8,8 % p.a. erzielt. 

Doch wie hätten sich die 10.000 € Jahr für Jahr entwickelt? (inkl. möglichen Kommentar des Anlegers) 

  • Ende 1974: 6.730 € (Fast 34 % Verlust? Hilfe..) 
  • Ende 1975: 9.705 € (Trotz 44,2 % plus in einem Jahr bin ich noch immer hinten?!) 
  • Ende 1976: 9.899 € (Na ja, besser als nix) 
  • Ende 1977: 8.859 € (Hach…) 
  • Ende 1978: 8.948 € (Wird das noch besser?) 
  • Ende 1979: 9.386 € (Nach 6 Jahren noch immer nix?!) 
  • Ende 1980: 13.319 € (BOOM!) 
  • Ende 1981: 14.571 € (So macht’s Spaß) 
  • Ende 1982: 16.815 € (Pretty, pretty, pretty good) 
  • Ende 1983: 23.457 € (WOW) 

Wie du siehst, schaut durchschnittlich 8,8 % pro Jahr großartig aus. Doch mehr als die Hälfte der Zeit hatten wir hier weniger Kapital als ursprünglich veranlagt. Wer hätte 1974 schon wieder verkauft, wenn er nicht über die Schwankung im Vorhinein nachgedacht hätte? Wer wäre 1980 ausgestiegen, obwohl er das Geld vielleicht länger nicht gebraucht hätte, nachdem er endlich wieder im Plus war und hätte so in den nächsten 3 Jahren fast 80 % Gewinn liegen gelassen? 

Sehen wir uns als nächstes die monatliche Anlage an. 

Monatliche Anlage Anfang 1974 bis Ende 1983 

Wir legen hier monatlich an. Zu Beginn des Jahres 1974 starten wir und Ende 1983 nehmen wir das Geld raus. 

Wir hätten hier eine durchschnittliche Rendite von ca. 15 % p.a. erzielt. 

Wie wäre der Verlauf? (Prozentuelles Ergebnis pro Jahr) 

  • Ende 1974: -36,6 % (Ähm, ok. Zumindest kaufe ich günstig ein) 
  • Ende 1975: +27,2 % (Yes ca. 13 % p.a. im Plus, zum Glück habe ich laufend gekauft) 
  • Ende 1976: -2,7 % (Na ja, noch immer 6,4 % p.a. Durchschnittsrendite) 
  • Ende 1977: -12,6 % (Jetzt ist der ganze Gewinn weg und ich bin -1,3 % p.a. im Minus) 
  • Ende 1978: -2,8 % (Wird das noch was?) 
  • Ende 1979: -1,1 % (Puhh, schön langsam frage ich mich, ob ich was ändern muss) 
  • Ende 1980: +46,6 % (So schnell geht’s 9,9 % Durchschnittsrendite p.a. – YES!) 
  • Ende 1981: -1,3 % (Ok, kleine Pause, macht ja nix) 
  • Ende 1982: +27,6 % (Hallelujah!) 
  • Ende 1983: +32,5 % (Wooooooooooooooooh!) 

Hier ist der Verlauf etwas anders. Wir sind in Jahr 2 und 3 bereits einmal positiv, doch dann geht es wieder nach unten. Erst im 7 Jahr drehen wir deutlich ins Plus. Gerade die letzten zwei starken Jahre bescheren uns dann eine Durchschnittsrendite von ca. 15 % p.a. – denn hier hat sich bis zu diesem Zeitpunkt natürlich das meiste Kapital angesammelt. 

Praktisches Beispiel #2: Anfang 1999 bis Ende 2018 

Aktiekursentwicklung auf Smartphone

Auch hier betrachten wir wieder den MSCI World. Diesmal sehen wir uns 20 Jahre an. Ich wähle hier bewusst einen Zeitraum in welchen zwei große Krisen fallen. Einerseits die Dotcom-Blase Anfang 2000 und andererseits die Krise im Jahr 2008/2009. 

Einmalige Anlage Anfang 1999 bis Ende 2018 

Zu Beginn des Jahres 1999 legen wir 10.000 € an. Ende 2018 nehmen wir das Geld raus. 

Wir hätten hier eine durchschnittliche Rendite von ca. 4,3 % p.a. erzielt. 

Doch wie hätten sich die 10.000 € Jahr für Jahr entwickelt? 

  • Ende 1999: 14.710 € (Das nenne ich mal einen guten Start ;)) 
  • Ende 2000: 13.607 € (Na ja, ok, schaut ja noch gut aus) 
  • Ende 2001: 11.906 € (Puh, zum Glück noch vorne) 
  • Ende 2002: 8.072 € (Hätte ich doch gleich nach dem ersten Jahr alles verkauft) 
  • Ende 2003: 8.920 € (Jetzt sitze ich das aus, wird ja wieder besser) 
  • Ende 2004: 9.473 € (Nur noch ein bisschen und ich bin wieder im Plus) 
  • Ende 2005: 11.926 € (YES, YES, YES) 
  • Ende 2006: 12.785 € (So stelle ich mir das vor) 
  • Ende 2007: 12.542 € (Ok, kurze Verschnaufpause) 
  • Ende 2008: 7.801 € (Wo ist die nächste Brücke?) 
  • Ende 2009: 9.806 € (Ok, ich lebe noch) 
  • Ende 2010: 11.699 € (Wir sind zurück, BABY) 
  • Ende 2011: 11.394 € (Hmm) 
  • Ende 2012: 12.967 € (Oh ja, schon besser) 
  • Ende 2013: 15.690 € (Champagner für alle) 
  • Ende 2014: 18.718 € (Noch mehr Schampus) 
  • Ende 2015: 20.627 € (Ich bin genial) 
  • Ende 2016: 22.793 € (Ich bin die Reinkarnation von Jesus) 
  • Ende 2017: 24.457 € (Anlage ist ja easy) 
  • Ende 2018: 23.405 € (Ok, ein schlechtes Jahr kann jeder mal haben) 

Ich gehe hier gar nicht darauf ein, ob ein Einmalerlag 1999 sinnvoll ist oder ob man nicht schon im Jahr 2015 langsam aus den Aktien raus sollte, wenn man das Geld 2018 braucht. Ich will hier nur aufzeigen, wie eine Anlage aussehen kann, die ca. 4,3 % p.a. Durchschnittsrendite bringt. Zur Info: Im Jahr 2019 hätten wir noch ein Plus von 29,8 % erzielt (wenn wir also im Jahr 2019 noch investiert gewesen wären). Das hätte die Durchschnittsrendite nochmals angehoben.  

Monatliche Anlage Anfang 1999 bis Ende 2018 

Wir legen hier wieder monatlich an. Zu Beginn des Jahres 1999 starten wir und Ende 2018 nehmen wir das Geld raus. 

Wir hätten hier eine durchschnittliche Rendite von ca. 5,9 % p.a. erzielt. 

Diesmal sehen wir uns das Ergebnis Jahr für Jahr anhand der Durchschnittsrendite zu diesem Zeitpunkt an. D.h. Im Jahr 2000 betrachten wir die Durchschnittsrendite pro Jahr für 2 Jahre. Im Jahr 2004 sehen wir die Durchschnittsrendite pro Jahr für 6 Jahre an. Im Jahr 2008 ist es die Durchschnittsrendite p.a. über die letzten 10 Jahre usw. 

  • Ende 1999: 50 % (Yeeeehaa.) 
  • Ende 2000: 2,9 % (WTF?) 
  • Ende 2001: -5,3 % (Was passiert hier?!) 
  • Ende 2002: -19,1 % € (Also so habe ich mir das nicht vorgestellt) 
  • Ende 2003: -8,2 % (Zumindest ist es nicht mehr so schlimm) 
  • Ende 2004: -3,8 % (Wann schaut hier endlich was raus? Soll ich den ETF tauschen?) 
  • Ende 2005: 3,1 % (Na endlich) 
  • Ende 2006: 4,1 % (Wird ja schön langsam, pretty good) 
  • Ende 2007: 2,9 % (Oh, bitte nicht schon wieder…) 
  • Ende 2008: -7,0 % (10 Jahre und alles umsonst. FML!) 
  • Ende 2009: -1,4 % (Bitte, Bitte nicht wieder schlechter werden) 
  • Ende 2010: 1,6 % (We are back!) 
  • Ende 2011: 1,0 % (Hmm) 
  • Ende 2012: 2,6 % (Sind wir wirklich zurück?) 
  • Ende 2013: 4,6 % (Jetzt aber!) 
  • Ende 2014: 6,1 % (Nice!) 
  • Ende 2015: 6,5 % (Very nice) 
  • Ende 2016: 6,9 % (Stellt den Sekt kalt. Heute zahle ich!) 
  • Ende 2017: 6,9 % (Ja, ok. Ich zahle noch immer!) 
  • Ende 2018: 5,9 % (Na ja, trotzdem knapp 6 % über 20 Jahre, das passt!) 

Ein paar kleine Anmerkungen: 

Wenn wir hier 20 Jahre betrachten, dann sollte man sich natürlich trotzdem eine Frage stellen: Wie lange habe ich denn tatsächlich für meine Anlage Zeit? Der Anlagehorizont  ist das vermutlich wichtigste Kriterium, wenn es um die Entscheidung zur persönlichen Anlagestrategie geht. Wie man hier sieht, kann es durchaus eine 10-Jahresperiode geben, die nicht gut ausfällt (siehe Ende 2008) – wobei man hier natürlich sagen muss, dass man sehr knapp hintereinander die Dotcom Blase und dann die Great Financial Crisis 2008/2009 hatte. Bräuchte man das Geld wieder in 10 Jahren, wäre man 2007 und 2008 schon nicht mehr großartig in Aktien investiert gewesen. 

Eine Sache sollte man bei der monatlichen Anlage auch unbedingt erwähnen: 

Egal welches Fonds/ETF-Chart du dir ansiehst, auch die meisten Rendite-/Gewinnangaben sind immer aus der Sicht einer Einmalanlage (= du kaufst einmal zum Zeitpunkt X und lässt das Geld liegen) gerechnet. Die meisten legen aber monatlich an. Hier können die Ergebnisse deutlich abweichen. Stell dir zum Beispiel vor du legst 10 Jahre an. In Jahr 1 steigen die Kurse um 100 %. In Jahr 2 bis 10 steigen die Kurse jeweils nur um 1 %. Wenn du einmalig gekauft hast, dann machst du natürlich die vollen 100 % sofort mit und bist fett im Plus (ca. 8,14 % p.a. Durchschnittsrendite über die 10 Jahre und bei einer Anlage von 10.000 € zum Beispiel ein Endwert von fast 22.000 €). Wenn du gleichmäßig monatlich über die 10 Jahre anlegst, dann hat nur 1/10 deiner Anlage die 100 % mitgemacht. Hier hast du ca. 2 % Durchschnittsrendite pro Jahr. 

Dieser Umstand wird beim Betrachten von Charts und Durchschnittsrenditen aber oftmals vergessen. Wenn du monatlich anlegst, kann der Unterschied aber gewaltig sein.

Was sollst du dir aus diesem Artikel vor allem mitnehmen? 

Frau mit Glühbirne und Notizblock

Eine durchschnittliche Rendite von 4, 6 oder 8 % pro Jahr sieht als alleinige Zahl super aus. Doch wie du siehst, ist diese Rendite mit viel Schwankung verbunden. Diese Volatilität ist der Preis den du bezahlen musst, um überhaupt solche Renditen erzielen zu können. Ich habe dazu schon in unserem Artikel Wann ist der richtige Zeitpunkt mit dem Geld anlegen zu starten? mehr geschrieben. 

Die Bewertung der Performance  ist für Zeiträume von unter 5 Jahren meiner Meinung nach übrigens komplett sinnlos und teilweise braucht man noch länger, um wirklich etwas sagen zu können. 

Lass dich vom Anlagezeitraum 1999 bis 2008 übrigens nicht völlig verunsichern. Dies ist eine der wenigen 10-Jahresperioden (bei 100 % Aktien) in denen du tatsächlich ein negatives Ergebnis erzielt hättest. Wie wahrscheinlich es in der Historie war positiv oder negativ abzuschneiden, je nach Anlagehorizont, haben wir bereits in unserem Artikel Dieser Artikel verändert wahrscheinlich deine Einstellung zu langfristigem Investment  näher betrachtet. 

Nichtsdestotrotz: Je mehr Zeit du bei deiner Anlage hast, desto besser.

Manchmal muss man noch ein bisschen warten, bis man die Performance erreicht hat, die man sich vielleicht vorab vorgestellt hat. Der Gotthard-Basistunnel wurde auch nicht in der geplanten Zeit fertiggestellt 😉 

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Autor: Florian Märzendorfer

Fan von indischem Essen, Finanzplaner & Co-Founder von FiP.S.

Hasst Strandurlaube & verabscheut Beistrichregeln.

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