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Gedanken über Geld - Teil 2

Geld Symbole und Gelddrucker

Falls du Teil I  dieses Artikels noch nicht gelesen hast, dann solltest du das unbedingt machen. Er bildet die Grundlage für alles, was hier folgt. Also…

2.

Was ist Seigniorage und was hat das mit Inflation und unserem Geldsystem zu tun?

Wir haben bereits über Inflation geschrieben, doch ich möchte hier explizit auf die Inflation der Geldmenge, also die monetäre Inflation eingehen. Wenn du an Inflation denkst, dann denkst du vielleicht einfach an steigende Preise. Ja, auch das wird als Inflation bezeichnet. Doch in seiner ursprünglichen Form wurde der Begriff Inflation verwendet, um die Ausweitung der Geldmenge zu beschreiben. Die Papierwährung wurde im Vergleich zum hinterlegten Gold (oder Silber) mehr.

Wenn wir von Inflation sprechen, dann macht es einen Unterschied, ob wir von einer Inflation der Geldmenge sprechen und deshalb die Preise von Brot steigen, da das Geld weniger wert wird, oder ob beispielsweise weltweit die Ernte schlecht ausgefallen ist und deshalb die Preise steigen. Der Fall der schlechten Ernte ist schwer beeinflussbar. Der Fall der Ausweitung der Geldmenge wird zentral beeinflusst und führt zur Entwicklung, die wir vorhin bereits beschrieben haben: Die Kaufkraft der Papierwährungen wird im Laufe der Zeit immer weniger. 

Doch wer profitiert davon?

Das Inflationsziel (gemessen an Preisen) seitens der amerikanischen und anderen Zentralbanken ist im Jahr 2022, und auch in den Jahren zuvor, bei 2 % pro Jahr. Ich gehe hier nicht darauf ein, dass die jeweilige Messgröße höchstwahrscheinlich nach unten manipuliert wird, dazu habe ich in unserem Artikel Inflation: Was musst du wissen? Wie schützt du dich davor? bereits mehr ausgeführt. Als Milton Friedman Inflation (und dabei meinte er explizit die Ausweitung der Geldmenge) “taxation without legislation” bezeichnete, traf er den Nagel auf den Kopf. 

Die Menschen die nahe am Gelddrucker sind, profitieren von der Inflation der Geldmenge

Richard Cantillon, ein Wirtschaftswissenschaftler, hat dieses Phänomen bekannt gemacht und ist deshalb der Namensgeber des Cantillon-Effekts. Er stellte fest, dass steigende Preise in verschiedenen Sektoren der Wirtschaft zu unterschiedlichen Zeiten auftreten. Wenn du neu geschaffenes Geld ausgibst und die Preissteigerungen erst allmählich kommen, dann ist dies ein Vorteil für die, die das Geld zuerst erhalten. 

Heutzutage sind die ersten Empfänger die großen Banken und Unternehmen bzw. politisch begünstigte Gruppierungen. Vereinfacht gesagt erhalten die, die am weitesten entfernt von den Finanzinstituten sind das Geld später – und zwar wenn die Preise bereits gestiegen sind. Die Ärmsten werden immer ärmer und die Reichen immer reicher. Der Mittelstand wird langsam, aber sicher, ausradiert. Inflation ist wie ein umgekehrter Robin Hood. Sie stiehlt von den Armen und gibt es den Reichen.

Dies ist kein Zufall oder unvorhersehbar

John Maynard Keynes hat die Makroökonomie und Wirtschaftspolitik zu Beginn des 20. Jahrhunderts geprägt. Wir alle leben in einer Welt die stark von den Ideen Keynes’ beeinflusst und geformt wurde. Zitieren wir mal Keynes persönlich zum Thema Inflation (Anmerkung: D.h. nicht, dass Keynes dies generell befürwortet):

By this means the government may secretly and unobserved, confiscate the wealth of the people, and not one man in a million will detect the theft.

Da wird einem warm ums Herz, oder?

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Keynes war auch ein Gegner des Goldstandards

Als einen der Gründe nannte er, dass Lohnverhandlungen schwierig sein könnten, wenn der Wert des Geldes mit der Zeit steigt (=Deflation). Und das könnte, wenn es an Gold gebunden ist, ja der Fall sein. Gewerkschaften würden nominale Lohnsenkungen nicht oder nur sehr schwer akzeptieren. Ganz anders sieht es aus, wenn Inflation vorherrscht. Dann bleibt eine reale Lohnkürzung unentdeckt und die Gewerkschaften würden sie nur schwer erkennen (mehr dazu später). Die Arbeiter würden somit Lohnkürzungen akzeptieren, da sie nicht wie Lohnkürzungen aussehen (nominell bekommt man mehr, doch nach der Inflation ist es weniger). Es kommt also nicht von ungefähr, dass Roland Baader Gold als Knoblauch gegen den Vampir Staat bezeichnete.

Ich gebe Keynes bis zu einem gewissen Grad sogar recht

Gewerkschaften werden vermutlich anfangs schwer nominelle Lohnkürzungen akzeptieren, doch das macht eine Ausweitung der Geldmenge, um im Laufe der Zeit der arbeitenden Bevölkerung das Geld aus der Tasche zu ziehen, ohne dass sie es merken, nicht richtig. Moralisch nicht und auch nicht, wenn ein System auf Dauer bestehen soll. Mir fällt dafür kein anderes Wort als Diebstahl ein. Wenn nicht Inflation, sondern Deflation die Norm ist, wieso sollten dies Gewerkschaften auf Dauer nicht akzeptieren? Das unterstellt, dass alle zu dumm sind es zu verstehen.

Keynes (bzw. Teile seiner Theorien) war bei Politikern beliebt, da sie in seiner Welt eine zentrale Rolle in der Lenkung der Wirtschaft eines Landes einnahmen. Und so gewannen seine Ideen immer mehr Einfluss. Auch heute noch ist Keynes und von ihm beeinflusste Theorien, der Standard der an (Hoch)-Schulen gelehrt wird. Rahim Taghizadegan schreibt in seinem Buch Wirtschaft wirklich verstehen über einen Bericht von Friedrich von Hayek folgendes:

Friedrich von Hayek, der Keynes sehr gut kannte und ein freundschaftliches Verhältnis zu seinem Gegenspieler pflegte, berichtet, dass Keynes nur zu diesem Zweck der politischen Beeinflussung seine Allgemeine Theorie konstruiert hätte und sich vollkommen bewusst gewesen wäre, dass sie weder allgemein noch eine Theorie sei. Es handelte sich also bloß um ein elaboriertes Konstrukt zur Begründung einer Politikempfehlung. Als Hayek ihn fragte, was er nach Befolgen seines Rates machen würde, antwortete Keynes salopp: Dann drehe ich die öffentliche Meinung wieder mit einem Fingerschnippen um. Kurz darauf war Keynes tot, und die Geister, die er gerufen hatte, machten sich selbstständig. Allem Anschein nach hielt Keynes selbst am wenigsten von seinen Jüngern, den »Keynesianern«.

Nicht alle Ökonomen teilten die Ansicht von Keynes

Daumen herunter und Geld

Ökonomen der österreichischen Schule (wie zum Beispiel Friedrich von Hayek) waren und sind der Meinung, dass die Gesellschaft nicht davon profitiert, wenn jemand aktiv die Geldmenge ausweitet. Es verwundert einen also nicht, wenn Autoren wie Jörg Guido Hülsmann (ein Verfechter der österreichischen Schule der Nationalökonomie) Dinge schreiben wie:

Inflation ist das, was geschieht, wenn durch Betrug, Zwang und Vertragsverletzungen die Geldmenge erhöht wird. Ohne Ausnahme erzeugt sie drei typische Folgen: (1) sie nützt den Tätern auf Kosten aller anderen Geldverwender; (2) sie erlaubt die Anhäufung von Schulden über das Niveau hinaus, das auf dem freien Markt hätte erreicht werden können; und (3) sie senkt die Kaufkraft der Geldeinheit unter das Niveau, das sie auf dem freien Markt erreicht hätte.

Die Notenpresse ermöglicht dem Staat, das Eigentum seiner Bürger anzuzapfen, ohne dafür ihre Zustimmung erhalten zu haben, also in der Regel sogar gegen ihren Wunsch. Welche Regierungsform verschafft sich mit bloßer Willkür das Eigentum der Bürger? Aristoteles und viele andere politische Philosophen nannten sie Tyrannei. Und Geldtheoretiker von Oresme bis Mises haben darauf hingewiesen, dass Zwangsinflation, als Instrument der Staatsfinanzierung betrachtet, die typische Finanzierungsmethode einer Tyrannei ist. 

Wie vorhin bereits erwähnt gilt 2 % als Zielgröße bei der Inflation

Doch warum 2 %? Warum sind es nicht 3 %? Warum nicht 4 % oder 10 %? Der Zyniker in mir glaubt, dass die Antwort darauf die folgende ist: Bei 3 % Inflation pro Jahr, dauert es 100 Jahre, bis du 95 % deiner Kaufkraft verloren hast. Bei 5 % ca. 50 Jahre. Bei 10 % nur mehr 30 Jahre. Eine höhere Inflation würde dich, mich und alle anderen zu schnell bemerken lassen was passiert. Der Fachbegriff für den Geldschöpfungsgewinn der durch die Schaffung und Emission von neuem (Zentralbank)-Geld entsteht, ist übrigens Seigniorage (falls du dich bis hierher gefragt hast, was das Wort zu Beginn des Artikels bedeutet). 

Was führen die Verteidiger des Fiat-Systems ins Feld, um Inflation bzw. das Fiat-System an sich zu rechtfertigen?

Eines der Hauptargumente ist, dass wirtschaftliche Abschwünge geglättet werden können. Die flexible Geldbasis ermöglicht ein aktives Eingreifen und “Lenken” der Wirtschaftszyklen. Außerdem wird der Konsum hoch gehalten und das führt dazu, dass das Bruttoinlandsprodukt hoch bleibt. Deflation ist für das Fiat-System Gift – denn bei den stetig wachsenden Schuldenbergen, wird es schwierig weiterzumachen, wenn der Wert des Geldes steigt. Genau das ist für die herrschenden Personen ja der “Charme” am Fiat-System: Regierungen können mehr Geld ausgeben als sie aus Steuern einnehmen, indem sie die Geldbasis verwässern. Positiv argumentiert lassen sich dadurch Krisen besser bewältigen und die Wirtschaft ankurbeln. Negativ argumentiert und auf ein Wort zusammengefasst, handelt es sich, wie bereits erwähnt, um Diebstahl. Der umgekehrte Robin Hood schlägt zu. Manche Anhänger der österreichischen Schule würden zusätzlich argumentieren, dass die Intensität von Krisen und Wirtschaftszyklen unter anderem von den Zentral-Bankern ausgelöst wird.

Um eines nochmals zu untermauern, zitiere ich abermals Roland Baader:

Inflation «geschieht» nicht einfach, sondern wird gemacht. Sie ist eine heimliche Steuer, die weit höher sein kann als die offizielle Steuerbelastung. Erzeugt wird sie von der Regierung und deren Zentralbank (samt anhängendem Bankensystem). 

Ich weiß, schön langsam nerve ich mit den Wiederholungen, aber um auf Nummer Sicher zu gehen: Es geht hier nicht um Preissteigerungen, sondern um die Inflation der Geldmenge. Preissteigerungen können von verschiedenen Faktoren beeinflusst werden. Einer dieser Faktoren ist die Inflation der Geldmenge. Wenn eine EZB-Präsidentin also öffentlich sagt, dass die Inflation plötzlich und unvorhersehbar aufgetreten ist und im nächsten Statement die Energiekrise, ausgelöst durch Vladimir Putin, als Grund der Inflation nennt, dann ist das am Ende des Tages intellektuell unehrlich und moralisch verwerflich. Ja, die Energiekrise ist mit ein Grund für die Preissteigerungen, doch die Ausweitung der Geldmenge spielt hier ebenfalls eine entscheidende Rolle.

Falls du dich fragst, wie sich die Geldmenge in der Eurozone in den letzten 25 Jahren verändert hat, dann hier ein Chart der Geldmenge M2 (Stand: Ende November 2022):

Chart Eurozone

(hier findest du die Quelle)

Wenn man sich dann noch die Zentralbank-Bilanz der EZB ansieht, dann springt sie von knapp unter 5 Billionen Euro vor der COVID Krise, auf fast 9 Billionen Euro im Jahr 2022. Die Preissteigerungen kamen wirklich aus dem Nichts – das war unmöglich auch nur ansatzweise vorhersehbar 😀

Eine interessante Frage, die man sich an diesem Punkt stellen muss, ist:

Würden Preise steigen, wenn die Geldmenge nicht ausgeweitet werden würde? 

Die Preissteigerungen von Waren und Dienstleistungen sind ohne Inflation der Geldmenge dauerhaft (über mehrere Jahre bzw. Jahrzehnte) nicht wirklich zu erklären. Der Grund dahinter ist der technologische Fortschritt. Wir sind produktiver und effizienter als noch vor 50, 200 oder 500 Jahren. Überlege wie die Landwirtschaft vor 100 Jahren ausgesehen hat und wie sie heute aussieht. Sieh dir die Preise von Mobiltelefonen im Jahr 2022 an und vor 35 Jahren an (vor allem besitzt du aktuell einen extrem leistungsfähigen Mini-Computer in deiner Hosentasche vs. einem Ziegelstein der mehr schlecht als recht zum Telefonieren geeignet war). 

Wenn wir also die Preissteigerung betrachten, dann sollte uns eines klar sein:

Auf lange Sicht sollten die Preise aufgrund des technologischen Fortschritts fallen und nicht steigen. Ja, natürlich gibt es Güter die Ausnahmen darstellen, aber insgesamt betrachtet ist die Tendenz deflationär und nicht inflationär. Lyn Alden vergleicht in ihrem Artikel “What is money, anyway”  (ihre Ausführungen würde ich übrigens als Doktorarbeit zum Thema Geld bezeichnen und unter anderem sie hat mich zu diesem Artikel inspiriert), beispielsweise die Geldmenge für Großbritannien mit dem Verbraucherpreisindex (über die letzten 150 Jahre). Das Ergebnis: Die Geldmenge stieg im Durchschnitt um 5,3 % pro Jahr an, während der Verbraucherpreisindex um 3,1 % stieg. D.h. das ganz grob betrachtet durch technologischen Fortschritt im Durchschnitt die Preise um 2,2 % fallen würden, wenn es die Inflation der Geldmenge nicht gäbe.

Natürlich ist dies nur eine ungefähre Annäherung, denn die Deflation aufgrund technologischen Fortschritts lässt sich schwer messen. 

An diesem Punkt sollten wir das Thema Deflation näher betrachten. Denn Deflation ist für Zentralbanker und Ökonomen der Schule von Keynes eine Kombination aus Beelzebub, Lord Voldemort und Thanos.

Doch ist Deflation denn wirklich so böse und gefährlich?

Deflation Teuer und Gangstermünze

In Die Ethik der Geldproduktion geht Jörg Guido Hülsmann auf die sechs Hauptargumente gegen Deflation ein und warum sie seiner Ansicht nach falsch sind. Es lohnt sich dies genauer zu betrachten. 

Was sind diese sechs Argumente & halten sie einer genauen Betrachtung stand?

Vorweg: Ganz allgemein führt Hülsmann an, dass theoretische und/oder empirische Beweise, die diese Behauptungen untermauern schwach sind oder komplett fehlen. Gehen wir die Argumente Punkt für Punkt durch. Ich fasse hier die Argumente von Hülsmann zusammen und füge auch Gedanken von mir hinzu.

1. Deflation führt zu einem Rückgang der Gesamtproduktion und führt somit zu einem geringeren Lebensstandard

Historisch betrachtet hatten Deflationen keine eindeutig negativen Auswirkungen auf die Gesamtproduktion. Wachstumsraten bei langfristiger Senkung des Preisniveaus waren nicht niedriger als jene, die in Ländern mit ansteigendem Preisniveau vorherrschten. Das Argument scheint also empirisch nur schwer haltbar zu sein.

2. Kaufentscheidungen werden nach hinten verschoben, da man auf immer günstigere Preise wartet

Denken wir das mal durch. Würdest du, wenn du weißt, dass ein Laptop, PC oder ein Mobiltelefon in zwei Jahren günstiger wird, warten und den Kauf erst in zwei Jahren tätigen? Wenn dem so ist, dann könntest du das jetzt schon machen, denn gerade in der Technik lässt sich der deflationäre Druck des Fortschritts nicht verstecken. Die meisten Menschen machen dies nicht, da sie lieber früher als später in den Genuss dieser Güter kommen. Spiele das gleiche Beispiel mit Essen durch, mit dem Frisörbesuch. Mit deiner nächsten Reise.

Der Konsum würde sich in einer deflationären Welt nur marginal verlangsamen. Das, was mehr gespart werden würde, steht für Investitionen zur Verfügung und unterstützt wahrscheinlich sogar die Ausweitung der Produktion. Ich würde sogar behaupten, falls der Konsum abnimmt, dann ist es der Konsum von Ramsch und Billigwaren. Ist das tatsächlich schlecht?

3. Ein sinkendes Preisniveau erschwert die Rückzahlung von Schulden

Hier zitiere ich Hülsmann direkt:

Drittens ist es richtig, dass Deflationen – insbesondere unerwartete Deflationen – die Abzahlung von Schulden, die bei einem höheren Preisniveau eingegangen wurden, erschweren. Im Fall eines massiven Deflationsschocks könnte die Folge ein weitverbreiteter Konkurs sein. Solche Konsequenzen sind zweifellos beklagenswert – vor allem aus Sicht derjenigen Unternehmer und Kapitalisten, die beim Eintreffen des deflationären Schocks im Besitz der Firmen, Fabriken und anderen Produktivvermögens sind. Aus der gesellschaftlichen Gesamtsicht jedoch ist es recht unerheblich, wer die Kontrolle über die existierenden Ressourcen hat.

Aus dieser umfassenden Sicht ist nur eines wesentlich, nämlich, dass die Ressourcen unversehrt und weiterhin in Gebrauch bleiben. Der springende Punkt ist nun, dass eine Deflation die vorhandenen Ressourcen nicht physisch zerstört. Sie vermindert lediglich ihren monetären Gegenwert, weshalb ihre gegenwärtigen Eigentümer bankrott gehen. Somit laufen Deflationen im großen und ganzen auf eine Umverteilung des Produktivvermögens von den bisherigen auf neue Eigentümer hinaus. Die Nettowirkung auf die Produktion wird wahrscheinlich Null sein. 

Hierzu eine kleine Anmerkung von mir: Auf lange Sicht hat Hülsmann vermutlich recht. Kurzfristig würde diese Umstellung allerdings zu gröberen Problemen führen. Darauf zielt auch das nächste Argument ab.

4. Diese Problematik führt zu einer Bankenkrise und somit zu weniger Krediten

Ja, die Bankbranche würde durch Deflation mehr oder weniger direkt bedroht werden und weitverbreitete Konkurse hätten wahrscheinlich einen negativen Einfluss auf die Liquidität der Banken. Doch Hülsmann sagt, dass auch dies für die Gesellschaft als Ganzes nicht verheerend sein muss:

Im Lichte dieser Überlegungen scheinen die von der Deflation verursachten Probleme weit weniger schwerwiegend zu sein als nach dem Urteil der heutigen Währungsbehörden. Gewiss besitzen Deflationen ein sehr brisantes Potential. Wie jedoch anhand der folgenden Kapitel noch deutlicher werden wird, bedrohen sie hauptsächlich jene Institutionen, die für die inflationäre Ausweitung der Geldmenge verantwortlich sind. Sie reduzieren das Vermögen der Teilreserve-Banken und ihrer Kunden – stark verschuldeter Regierungen, Unternehmer und Konsumenten. Aber wie wir erläutert haben, bedeutet dies auch die Freisetzung der grundlegenden physischen Ressourcen für andere Verwendungen. Die von einer Deflation verursachte Zerstörung ist daher in der Regel eine „kreative“ Zerstörung im Schumpeterschen Sinne. 

Meiner Meinung nach findet man hier den Hauptgrund warum die Deflation so gefürchtet ist

Mann und Frau mit Fußfessel und Rechnung

Wir leben in einer Welt, die massiv überschuldet ist.  Alle die davon profitiert haben – im großen Stil sind dies die Regierungen – haben Angst vor Deflation. Deflation in einer Welt, die zum Großteil aus Kredit besteht, ist wie einen Drogenabhängigen auf Entzug zu schicken. Die Droge ist die Ausweitung der Geldmenge bzw. Schulden. Bei manchen hat sich der Körper bereits so an die Droge gewöhnt, dass ein schneller Entzug womöglich zum Tod führt. Unangenehm ist der Entzug auf jeden Fall. Doch ist dies nicht besser als sich weiterhin jeden Tag die Nadel zu setzen? 

5. Deflation gepaart mit “starren” Preisen könnte zu Arbeitslosigkeit führen

Hülsmann führt hier aus, dass in den letzten Jahrzehnten das Argument der starren Preise eine zentrale Rolle gespielt hat. Auch hier lohnt sich ein direktes Zitat:

Diesem Argument zufolge könnte die Manipulation der Geldmenge ein geeignetes Instrument zur Wiedererlangung eines verlorenen Gleichgewichts auf gewissen Märkten, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt, sein. Angenommen, dass mächtige Gewerkschaften das nominale Lohnniveau in allen Branchen dermaßen anheben, dass die Unternehmer einen großen Teil der Belegschaft zu diesen Löhnen nicht mehr gewinnbringend beschäftigen können. Das Ergebnis wäre dann Massenarbeitslosigkeit. Aber wenn es möglich wäre, die Geldmenge erheblich auszuweiten, dann könnten die Verkaufspreise der Unternehmer hoch genug ansteigen, um eine gewinnbringende Wiedereingliederung der Arbeitslosen in das System der Arbeitsteilung zu ermöglichen.

Nun, so das Argument weiter, ist unter einem Gold- oder Silberstandard eine solche Politik unmöglich, und zwar aus rein technischen Gründen, weil die Geldmenge inflexibel ist. Nur Papiergeld schafft die technischen Voraussetzungen für eine beschäftigungsfreundliche Politik. Somit haben wir hier dem ersten Anschein nach eine Rechtfertigung für die Abschaffung der natürlichen Warengeldarten und für die Unterstützung eines Papiergeldstandards. 

Dieses Argument gewann im Verlauf der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts in Österreich, Deutschland, den USA, Großbritannien und anderen Ländern an Bedeutung. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde daraus eine Art Dogma der Wirtschaftspolitik. Aber dies ändert nichts an der Tatsache, dass es ein kompletter Irrtum ist, und es nicht einmal schwer, den Kern des Irrtums zu erkennen.

Das Argument geht in der Tat von der Vorstellung aus, dass Geldpolitiker die Gewerkschaften ständig überlisten können. Die Verwalter der Notenpressen können die Gewerkschaftsführer demnach immer wieder mit einer weiteren Runde expansionistischer Geldpolitik überraschen. Ohne Frage ist dies eine törichte Unterstellung, und rückblickend ist es sehr erstaunlich, dass sie von verantwortlichen Menschen jemals ernstgenommen wurde. Die Gewerkschaften ließen sich nicht täuschen. In Zeiten expansionistischer Geldpolitik erhöhten sie allmählich ihre Lohnforderungen, um die sinkende Kaufkraft des Geldes auszugleichen. Das Ergebnis war Stagflation – hohe Arbeitslosigkeit plus Inflation -, ein Phänomen, das Ländern mit starken Gewerkschaften wie Frankreich und Deutschland in den vergangen dreißig Jahren zur Last geworden ist.

Vielleicht ist dies mit ein Grund dafür, warum das Wort Inflation nicht mehr für die Ausweitung der Geldmenge verwendet wird, sondern pauschal für jegliche Preissteigerungen? Vielleicht ist es eine Art Verschleierungstaktik?

“Woher die Inflation bloß kommt… :-D”

Gelddruckmaschine gif

Doch wie Hülsmann, meiner Meinung nach richtig, argumentiert und wir auch zum Beispiel im Jahr 2022 beobachten konnten: Die Forderung der Gewerkschaften ist laut und deutlich. Die Verschleierungstaktik funktioniert auf Dauer nicht.

6. Deflation könnte den nominalen Zinssatz dermaßen reduzieren, dass die Geldpolitik des “billigen” Geldes nicht mehr funktioniert

Hier geht Hülsmann im Buch selbst sehr ins Detail und beschreibt, warum dieses Argument eine Vielzahl von Irrtümern vermengt. Wir beschränken uns hier auf die Quintessenz:

Zusammengefasst ist es keineswegs sicher, dass politisch herbeigeführte Ausdehnungen der Geldmenge den realen Zinssatz unter das Niveau senken werden, das er auf dem freien Markt erreicht hätte. Der Erfolg einer Politik des billigen Geldes ist besonders unwahrscheinlich, wenn sie nicht lediglich fallweise betrieben, sondern zu einem leitenden Prinzip der Wirtschaftspolitik erhoben wird.

Ist Deflation also gar nicht so schlimm?

Das kommt darauf an, wie wir das Wort “schlimm” definieren. Eine Bereinigung des inflationären Systems würde für einige Bereiche das Ende bedeuten. Die Firmen und Institutionen, die auf Schulden aufgebaut sind, bekommen als erste Probleme und das sind sehr viele in unserer Gesellschaft. Das würde höchstwahrscheinlich im ersten Moment tatsächlich zu mehr Arbeitslosigkeit führen. Die Frage ist, ob das aktuelle System so dauerhaft weitergeführt werden kann bzw. ob dies für die Menschheit als Ganzes langfristig vorteilhaft ist. Eines ist klar: Die Personen die aktuell am meisten von diesem System profitieren werden alles unternehmen, um den Status Quo aufrecht zu erhalten.

Da du dich in diesem Artikel schon an längere Zitate gewöhnt hast, habe ich hierzu noch eine Passage von Jeff Booth:

The existing fiat monetary system requires inflation and consequently, it needs manipulation to remain viable. We get less, for more work.

Because the existing system is credit based, it cannot allow ongoing deflation without complete collapse. (Because the credit would be wiped out and the credit IS the system) Society would never vote to have their entire way of living collapse. Which means a paradox exists where society will always eventually insist on manipulated “growth” for fear of the consequences of collapse, and that manipulated growth is the primary source of the problems that society is dealing with — including environmental damage.

Ultimately, this is because instead of allowing prices to fall (and society to gain time and freedom) with increasing productivity, it presupposes that we can “grow” forever. And the growth itself presupposes that money can be created out of thin air to achieve it. This “growth” for more jobs to be able to pay the bills, to pay for higher prices, which are manipulated higher in the first place keeps society on a hamster wheel unable to see that it is the system itself with its embedded growth obligation to service unrepayable debt that is responsible for all the pain.

It gets worse, from the existing system every innovation lowering price or saving time in the future must be offset with more manipulation of currency to keep the existing monetary scheme going. Energy itself provides a good example. It is not like there hasn’t been an abundance of technology deployed into the exploration, production, transportation, and development of new energy sources. When you realize that the primary reason (increasing demand is important too) energy prices have risen against new energy coming online and efficiency gains of existing energy sources, is that they must rise to support the existing credit system, you also realize there is no way out from the system.

Ich weiß, ich werfe in dieser Artikelserie vermutlich mehr Fragen auf als ich Antworten liefere

Ich habe diese Artikelserie bewusst Gedanken über Geld genannt. Ich behaupte nicht, dass ich eine 100 % Lösung für alle oder auch nur einige der Probleme habe, die wir im Laufe dieser Artikelserie angesprochen haben und ansprechen werden. Doch um vernünftig über diese Dinge nachzudenken, Schlüsse für das persönliche Verhalten oder auch die persönliche Geldanlage zu ziehen, muss man sie zuerst verstehen – zumindest ansatzweise. Ich hoffe mit dieser Artikelserie einen Beitrag dazu zu leisten. Wir haben bisher den Weg von der Vergangenheit in die Gegenwart gemacht. 

In Teil III blicken wir in die Zukunft. 

Sehr viel deutet darauf hin, dass wir uns, wie in so vielen Bereichen, auch beim Thema Geld in ein digitales Zeitalter bewegen. Was das bedeuten kann und wie wir auf all das was wir bisher besprochen haben reagieren können, besprechen wir in Teil III. Den findest du hier.

Bevor du zum nächsten Teil springst

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Euromünze
Autor: Florian Märzendorfer

Fan von indischem Essen, Finanzplaner & Co-Founder von FiP.S.

Hasst Strandurlaube & verabscheut Beistrichregeln.

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