Unterschied Versicherungssteuer & KESt | FiP.S

Was ist der Unterschied zwischen Versicherungssteuer und der KESt?

Smartphone mit Kest Button und VSt Button

Am Morgen des 7. November 1940 bebte die Tacoma Narrows  Brücke im Wind

Die Brücke war zu diesem Zeitpunkt erst ein paar Monate alt. Doch was als ein Wunderwerk der Ingenieurskunst galt, sollte nicht mal ein Jahr überleben. Unter den Augen der entsetzen Zuschauer stürzte die Brücke in die Tiefe. Ausschlaggebend war an diesem Tag der Wind. Doch wie konnte es dazu kommen?

Die Ingenieure hatten die Resonanzfrequenz des Windes nicht richtig berechnet, eine kritische Komponente, die über das Schicksal der Brücke entscheiden sollte. Die Tacoma Narrows Brücke wurde somit zu einem Lehrstück über die Wichtigkeit von Genauigkeit und Voraussicht in der Planung. Eine kleine Fehleinschätzung in der mathematischen Berechnung wurde zum Desaster.

In der Welt der Finanzen spielt das Verständnis von einfacher Mathematik ebenfalls eine tragende Rolle

Insbesondere wenn es um die Bewertung von Kosten, Gewinnen, Steuern und den Vergleich einzelner Möglichkeiten geht. Wir legen den Fokus in diesem Artikel auf die Unterscheidung zwischen Versicherungssteuer und KESt und gehen gleichzeitig darauf ein wie prozentuelle Kosten zu bewerten sind.

Vieles von diesem Artikel wird dir wie ein No-Brainer vorkommen. Doch unsere tägliche Beratung zeigt, dass auf den ersten Blick der eine oder die andere immer wieder Fehler in der Betrachtung dieser Themen begeht. Das ist der Grund, warum wir uns heute diesem Thema widmen.

Folgende Fragen wollen wir unter anderem beantworten:

  • Was ist bei einer kostentechnischen Betrachtung der Unterschied zwischen 4 % Versicherungssteuer auf deine Beiträge und 27,5 % Kapitalertragssteuer auf deine Gewinne und wie muss man darüber nachdenken?
  • Wie sind generell einmalige Kosten vs. laufende Kosten bei Investitionen zu bewerten?

Starten wir mit

Was ist der Unterschied zwischen 4 % Versicherungssteuer und 27,5 % Kapitalertragssteuer?

Taschenrechner und mathematische Zeichen

Ich habe folgenden Satz leider zu oft gehört:

  • “Ja, aber da muss ich ja 4 % Gewinn pro Jahr machen damit ich das
    aufhole. Das ist ja viel zu teuer…”


Die 4 % beziehen sich hier auf die 4 % Versicherungssteuer die man bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung  an den Staat bezahlt. Diese 4 % Versicherungssteuer bewirken, dass du endbesteuert bist und auf deine Gewinne keine Steuern mehr zahlen musst. Zu bezahlen sind die 4 % Versicherungssteuer übrigens “nur” einmalig auf deine Beiträge und nicht auf deine Gewinne.

Die Kapitalertragssteuer bei zum Beispiel Aktien, ETFs & Co ist 27,5 % auf die erwirtschafteten Gewinne.

Sehen wir uns ein ganz konkretes Beispiel mit Zahlen an

Sagen wir du legst 100.000 € an. Als Versicherungssteuer fallen 4 %, also 4.000 € an (wir nehmen hier also an, dass du 104.000 € zur Verfügung hast und die 100.000 € nicht inklusive Versicherungssteuer sind). Wenn du die Anlage für 35 Jahre machst, dann hast du bei 6 % Gewinn pro Jahr ca. 769.000 €, oder anders gesagt du hast ca. 665.000 € Gewinn.

Wenn du nicht die 4 % Versicherungssteuer bezahlen musst, sondern die 27,5 % Kapitalertragssteuer, dann sprechen wir hier von ca. 183.000 € Steuer (27,5 % von den 665.000 €). Sollten wir nur 4 % Gewinn pro Jahr erzielen, dann bleibt die Versicherungssteuer natürlich gleich (sie wird ja auf unseren Anlagebetrag berechnet). Das Endergebnis reduziert sich auf ca. 395.000 €. Wir müssen hier dann also ca. 80.000 € Kapitalertragssteuer bezahlen (Anmerkung: Ganz richtig ist das nicht, da wir ja nicht die gesamte KESt erst am Ende zahlen, aber für unsere Betrachtung reicht dies).

Je mehr Rendite wir machen und je länger wir Zeit haben,
desto dramatischer wird der Unterschied

Natürlich gibt es auch andere Kosten die es zu beachten gilt, wenn man die Versicherungssteuer vs. KESt bzw. eben eine fondsgebundene LV mit einem Wertpapierdepot vergleicht. Darauf gehen wir in unserem Artikel zur fondsgebundenen Lebensversicherung  im Detail ein. Dieser Artikel, den du gerade liest, soll ausschließlich eines beleuchten: Die Fehleinschätzung vieler zum Thema Versicherungssteuer vs. KESt bzw. generell die Fehleinschätzung von laufenden vs. einmaligen Kosten.

Auch bei einer monatlichen Ansparung über einen langen Zeitraum ist die Versicherungssteuer viel “günstiger” als die KESt

Sagen wir du sparst monatlich ca. 240 € für 35 Jahre. Hier zahlst du 100.800 € über 35 Jahre ein. Deine Versicherungssteuer ist somit knapp über 4.000 €. Als Ergebnis hätten wir hier ca. 344.000 € nach 35 Jahren bei 6 % Gewinn pro Jahr. Die KESt wäre also bei ca. 67.000 €. Egal ob du laufend oder einmalig sparst, der Unterschied bleibt eklatant.

Betrachten wir die Versicherungssteuer und die KESt nochmals aus anderer Sicht

Mann mit Teleskop

Um ein Gefühl für die Auswirkung zu bekommen, sollte man auch wissen, um wie viel Prozent die Rendite durch die Versicherungssteuer bzw. KESt sinkt. Bleiben wir dafür bei unserem monatlichen Ansparbeispiel. Wir legen also 240 € für 35 Jahre an. Wenn wir von ca. 6 % p.a. ausgehen, dann ist die Auswirkung der Versicherungssteuer bei ca. 0,17 % p.a. (wenn das Geld noch länger veranlagt bleibt, dann wird dieser Prozentsatz immer weniger). Bei dir kommen also 5,83 % an (das ist natürlich die reine Betrachtung der Versicherungssteuer und ohne andere Kosten).

Bei der KESt von 27,5 % müssen wir uns fragen: Wann ist die KESt zu zahlen? Sobald du während der Laufzeit umschichtest, hast du die KESt sofort zu zahlen, das bedeutet, dass sich weniger Geld weiterverzinst und somit eine stärkere Belastung auf deine Nettorendite zu tragen kommt. Du wirst aber nicht jedes Jahr alles versteuern müssen und auch nicht alles erst am Ende der Laufzeit. Die Realität wird irgendwo dazwischen sein.

Als Richtwert: Das worst case wäre eine jährliche Versteuerung und somit eine Minderung der Gesamtrendite von ca. 1,65 % p.a. (d.h. von 6 % Gewinn kommen bei dir dann 4,35 % an). Das best case Szenario wäre eine Versteuerung am Ende der Laufzeit ohne jegliche Steuer während der Laufzeit: Hier wärst du dann ca. bei 1 % Minderung der Gesamtrendite. Die Wahrheit liegt wie besprochen irgendwo dazwischen.

Nach dieser Betrachtung ist die Aussage “Ja, aber da muss ich ja 4 % Gewinn pro Jahr machen damit ich das aufhole.” vermutlich nicht mehr nachvollziehbar für dich

Aber so plakativ wie gerade betrachtet, hat man es meist nicht im Kopf. Wir Menschen haben kein Problem mit linearem Denken, aber bei exponentiellem Wachstum (und nichts anderes ist der Zinseszinseffekt) unterschätzen wir regelmäßig die Wirkung. Rolf Dobelli schreibt in
Die Kunst des klaren Denkens:

Wenn es um Wachstumsraten geht, vertrauen Sie nicht auf Ihr Gefühl.
Sie haben keines – akzeptieren Sie das.

Du kennst bestimmt das berühmte Papierfaltbeispiel. Versuch mal, ein Blatt Papier mehrmals zu falten. Faltest du es 10-mal, wäre es so dick wie deine Hand breit ist. Könntest du es 17x falten, würde das Papier höher als ein durchschnittliches Haus sein. Wenn du es 50x faltest (wenn das gehen würde), dann hättest du die Distanz zur Sonne erreicht (wenn du es exakt nachlesen willst und die mathematische Formel dazu sehen willst dann folge diesem Link).

Uns fehlt bei diesen Dingen die Vorstellungskraft.

Die bisherigen Ausführungen sind nicht nur für die Betrachtung der Versicherungssteuer relevant

Verschieden große Stapel mit Münzen

Nehmen wir an du hast bei einer fondsgebundenen LV Abschlusskosten von 3 % der Einzahlungssumme. Diese werden auf 10 Jahre verteilt. Wenn man also beispielsweise 100.000 € einzahlt, dann würde das bedeuten, dass man 3.000 € Abschlusskosten hat und diese mit 25 € pro Monat abbezahlt (für die ersten 10 Jahre). Wenn dein Anlagehorizont 30 Jahre ist, dann sollte dir inzwischen bewusst sein, dass diese einmaligen Kosten eine marginale Auswirkung auf dein Endergebnis haben.

Wie sieht es aber mit laufenden Kosten aus die vom veranlagten Vermögen abhängig sind?

Wenn du beispielsweise 0,4 % p.a. von deinem veranlagten Vermögen bezahlen musst, dann wären das im ersten Jahr bei 100.000 € ca. 400 € (ich schreibe ca. da wir ja eine Verzinsung annehmen). Doch wenn nach 15 Jahren über 200.000 € daraus geworden sind, dann bist du schon bei 800 € pro Jahr. Der Kostenfaktor ist im Vergleich zu einmaligen Kosten dramatisch mehr. Entscheidend ist die Höhe des veranlagten Vermögens und die Laufzeit der Anlage.

Je kürzer die Laufzeit desto eher können laufende Kosten, bemessen am veranlagten Vermögen, spannend werden. Je länger die Laufzeit desto eher sind einmalige Kosten auf deinen Beitrag interessant. Wenn wir von einer einmaligen Investition ausgehen – also eben zB 100.000 €
auf einmal veranlagt, dann ist das den meisten nach kurzer Betrachtung klar.

Doch das Prinzip gilt auch für eine laufende Ansparung, bei der sich zu Beginn noch nicht viel Kapital angesammelt hat

Bleiben wir bei den 240 € monatlich die wir eingangs erwähnt haben. Hier würden die Abschlusskosten gleich berechnet werden. D.h. auch hier fallen zu Beginn 25 € pro Monat an. Das wirkt auf den ersten Blick bei einer Ansparung von 240 € enorm. Doch nur wenn man ein einzelnes Monat oder das erste Jahr betrachtet. Bei genauerem Hinsehen sollte eines klar werden: Durch eine lange Laufzeit und den Zinseszinseffekt (die Kosten haben ja nichts mit dem veranlagten Vermögen zu tun) sind die Kosten marginal. Wenn du dich an das Ergebnis von oben erinnerst: Bei 6 % kamen bei dieser Berechnung ca. 344.000 € heraus. Wirken 3.000 € jetzt noch viel?

Ich bin hier gar nicht darauf eingegangen, was man für die 3.000 € bekommt

Wenn ich dafür keine Leistung erhalten würde, dann sind 3.000 € natürlich trotzdem viel. Mir geht es in diesem Artikel aber vor allem um die Auswirkung von einmaligen Kosten (oder Steuern) auf lange Sicht. Und hier sollte inzwischen klar sein, dass der erste Blick meist täuscht. Da wir in diesem Artikel oftmals über die fondsgebundene LV gesprochen haben, fragst du dich vielleicht noch: Ja, aber was ist, wenn sich steuerlich etwas ändert? Das haben wir bereits in unserem Artikel Eine Analyse möglicher Kapitalertragssteuer-Änderungen in Österreich und die Auswirkungen beleuchtet.

Es war zwar in letzter Konsequenz der Wind, der die Tacoma Narrows Brücke zum Einsturz brachte, doch der Grund des Übels war die falsche Berechnung der Resonanzfrequenz bei der Konstruktion der Brücke. Wenn es um deine langfristige Anlage geht, dann solltest du für die verschiedensten Szenarien gerüstet sein. Ein wichtiger Teil, um deine Vorsorge-Brücke stabil zu halten, ist die unterschiedlichen Auswirkungen von Versicherungssteuer bzw. Kapitalertragssteuer zu kennen und wie sich einmalige vs. laufende Kosten auswirken.

Dieser Artikel hat hoffentlich den ersten Schritt dazu beigetragen.

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Autor: Florian Märzendorfer

Fan von indischem Essen, Finanzplaner & Co-Founder von FiP.S.

Hasst Strandurlaube & verabscheut Beistrichregeln.

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